In meiner Arbeit WINOPOLY wende ich das Strategiespiel Monopoly exemplarisch auf den Kulturbetrieb an.1 Dies mit dem Ziel, Kultur als kontinuierlichen Umwertungsprozess sichtbar zu machen. In Interaktion mit dem Publikum wird über das Spiel eine diskursiv-kritische Auseinandersetzung mit der Produktion von (kultureller) Öffentlichkeit in Gang gesetzt. In diesem Prozess sind die Mechanismen dieses auf kapitalistischen Prinzipien basierenden Systems zu verhandeln.
Inzwischen als Gesellschaftsspiel aus der Mode gekommen, eignet sich Monopoly meines Erachtens dazu, die Funktionsweise der freien Wirtschaft vereinfacht darzustellen.
Die Grundidee für WINOPOLY resultierte aus einem vorwiegend kulturkonsumkritischen Ansatz. Ich beabsichtigte, das Publikum einzuladen wie in einer Parallelwelt die Kulturlandschaft durch eigene Ideen selbst mitzugestalten, also aus der Rolle der Konsumierenden in die der Produzierenden zu schlüpfen.
Mein Interesse hat sich nun hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Ökonomie und der Produktion von Kultur verlagert. Vor allem in den letzten Jahren hat sich der Kulturbereich hochgradig verändert. So bedingt beispielsweise die Teilrechtsfähigkeit österreichischer Museen, dass deren Ausstellungspolitik sich zunehmend am Gewinn orientieren muss. Es stellt sich hier die Frage nach den langfristigen Konsequenzen. Es wird zu fragen sein, wie sich diese Entwicklung auf die öffentlich-mediale Wahrnehmung sowie auf die Produktion von Kultur auswirkt.
II. Die so genannte Hochkultur und ihre Untiefen
Gut illustrieren lässt sich die Kernfrage, mit der ich mich auseinandersetzen will durch einen aktuellen Sachverhalt, die ‚Causa Hegemann’. Eher zufällig sah ich die Ausgabe der 3Sat-‚Kulturzeit‘ vom 3. Februar2 mit einem Beitrag zum Romandebüt Axolotl Roadkill3 von Helene Hegemann. Zeichentricksequenzen unter Textpassagen aus dem Werk leiteten den Bericht ein, in dem die 17jährige Autorin zum Interview erschien. Linksintellektuell geprägt – wie betont wurde – deckt sie durch ihre zuweilen schockierende Sprache den Status quo der heutigen Jugend auf. Am darauffolgenden Freitag äußerte der Münchner Blogger Deef Primasens Plagiatsvorwürfe in Bezug auf das Buch 4. Hegemann habe Passagen des Romans Strobo5von einem unter dem Pseudonym Airen bekannten Blogger übernommen.
Das Kulturzeit-Blog wertete auf die Enthüllung hin nach6. Die von Hegemann selbst in der Zwischenzeit als „total legitim“7 bezeichnete und gerechtfertigte kompilierende Methode wurde in dem Artikel Das digitale Werk als Kunstform verteidigt. Signifikant erschien mir der Hinweis, dass der „Text, dem man von vielen Seiten bescheinigt hat, auf der Ebene der Hochkultur, also sprachlich-künstlerisch diskussionswürdig zu sein“8 sei. Dieser Satz aus dem Kulturzeit-Blog bringt meines Erachtens das Dilemma auf den Punkt: Das vom Branchenriesen Ullstein verlegte Buch (4. Auflage mit 25.000 Stück dzt. in Vorbereitung) erhält durchwegs gute Kritiken, die ihm eine Art Hochkultur-Tauglichkeit9 attestieren. Erst im Nachhinein wird festgestellt, dass Texte aus dem ‚Internet‘ verarbeitet worden sind.10 Die Hauptquelle, Strobo – herausgebracht vom SuKuLTur-Verlag (sic!) ; Auflage: 300 Stück– ist online verfügbar11 und wurde nie rezensiert.12 Es lässt sich zusammenfassen, dass sich Strobo qua öffentlicher Wahrnehmung nicht auf gleicher Ebene mit Axolotl Roadkill befindet.
Es fällt allerdings auf, dass die mediale Debatte kaum die ökonomischen Hintergründe tangiert, sondern hauptsächlich über den Diskurs zum künstlerischen Wert der vorliegenden Texte ausgetragen wird. Im Feuilleton schlagen sich die Autoren nun auf die Seite von Helene Hegemann und verteidigen die Freiheit der Kunst und ihrer Methode13 oder ergreifen Partei für das ‚Original‘, den geschädigten Autor Airen14. Während der Vorfall viele diskussionswürdige Facetten hat, möchte ich mich hier auf nur einen Aspekt konzentrieren: Boris Groys hat kulturelle Umwertungsmechanismen beschrieben und zwischen ‚profanem Raum‘, und ‚kulturellem Archiv‘ unterschieden.15 Das zuvor Geschilderte könnte hierfür zum Teil als nachträgliches Fallbeispiel gelten. Aufbauend auf diese Analyse soll der Zusammenhang von medialer und ökonomischer Potenz und der Produktion von so genannter Hochkultur untersucht werden.
Während das Beispiel Hegemann dem Literatur(kunst)betrieb entstammt, lassen sich insbesondere für den Kunstmarkt ebenfalls zahlreiche Exempel aufzeigen. Geradezu plakativ ist der Fall Damien Hirst: Den Preis der Arbeit For the love of god, die im August 2007 als bis dato teuerstes zeitgenössisches Werk verkauft wurde, gestaltete der Künstler selbst offenbar mit, indem er sich am Käuferkonsortium beteiligte.16
II. Das Projekt WINOPOLY
Betrachtet man Macher wie Damien Hirst oder den Kunst-Guru Charles Saatchi kritisch, so sind die strategischen Parallelen zu den Protagonisten des Wirtschaftsliberalismus unübersehbar. Die Finanzkrise von 2009 löste auch auf dem Kunstmarkt Turbulenzen aus – die Preise fielen. Selten wurde so durchsichtig, dass dieser Umschlagplatz ebenfalls ein Subsystem der Wirtschaft ist.
Dass die berüchtigte historische Wirtschaftskrise der 1930er Jahre auch eine Erfolgsgeschichte mit Namen Monopoly hat, ist weniger bekannt. 2009 hatte ich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung die Idee, den Kulturbetrieb mit Hilfe des inzwischen aus der Mode gekommenen Gesellschaftsspiels darzustellen. Hinter WINOPOLY steht die Idee, die performativen Mechanismen des Spiels ortsspezifisch auf einzelne Kulturlandschaften anzuwenden. Dies mit dem Ziel, Kultur als dynamischen Prozess permanenter Auf-, Ent- und Umwertung sichtbar zu machen. Gemeinsam mit dem Publikum wird so mittels des Strategiespiels eine diskursiv-kritische Auseinandersetzung mit der Produktion von (kultureller) Öffentlichkeit in Gang gesetzt und diese als auf kapitalistischen Prinzipien basierendes System entlarvt.
Hinzu kommt die Möglichkeit der Parodie sowie des Absurden. Da WINOPOLY als eine Art Versuchsanordnung unter bestimmten Bedingungen funktioniert, wäre es theoretisch möglich, dass ein SuKuLtuR-Verlag durch Glück und einen guten Schachzug Ullstein übernimmt. In der Realwelt ist das eher utopisch.
Im Internet stieß ich auf München 851, eine Kultur-Initiative, die soziale Netzwerke nutzt, um damit eine Veranstaltungsreihe zum 851. Stadtgeburtstag zu generieren.17 Dies als Antwort der Kultur-Basis auf die im Jahr zuvor stattfindenden ‚offiziellen‘ Feiern. Auf dem zu einer virtuellen Veranstaltungsagentur umfunktionierten Myspace-Profil www.myspace.com/muenchen851 war die Idee zu veröffentlichen. Auf diese Weise kam der Kontakt mit dem i-camp/Neues Theater München zustande. Die Institution mit Programmschwerpunkten auf Theater, Tanz, Performance, Neuer Musik, Videokunst, Bildender Kunst, Elektronischen Medien und all ihren Mischformen „…versteht sich als Forum und Impulsgeber der freien Szene. […] Den Tendenzen in der darstellenden Kunst folgend, die zu einer fortschreitenden Aufhebung der Grenzen zwischen den Darstellungsformen und einem wachsenden Einfluss der e-Medien führen, will i-camp den immer noch engen Definitionsrahmen von Theater auf das Paradigma der freien Kunst erweitern.“18
WINOPOLY851 hatte im September 2009 Premiere. In seiner Neuauflage wird es 2011 eine gegenüber den klassischen Theaterformen zeitlich, räumlich und medial erweiterte Form finden. Grundsätzlich ist es prozessorientiert angelegt. Das heißt, die endgültigen Spielregeln sowie die Auswahl der beteiligten Institutionen stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest, sondern werden in einem Kommunikationsprozess erarbeitet, der bis zur Aufführung von WINOPOLY Kulturschaffende und Publikum in die Vorbereitungsphase einbezieht. Die Auswahl der beteiligten Institutionen, Statements, Fragen, Diskussionen, Ideen zu Situationen werden auf einer Internetpräsenz veröffentlicht, mit dem Ziel, die Ergebnisse in das Stück einfließen zu lassen. Örtliche und zeitliche Begrenzungen werden zunehmend aufgehoben. Mehr dazu laufend in diesem Kanal.
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